In fünf Jahren by Rebecca Serle

In fünf Jahren by Rebecca Serle

Autor:Rebecca Serle [Serle, Rebecca]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: btb Verlag
veröffentlicht: 2022-06-13T22:00:00+00:00


19

Danach sagt sie viele Dinge. Dass man bei Eierstockkrebs in sehr seltenen Fällen ein falsch positives Ergebnis bekommen kann. Dass die Symptome manchmal denen einer Schwangerschaft ähneln: ausgebliebene Regel, aufgedunsener Unterleib, morgendliche Übelkeit, mangelnde Energie. Doch da ist ein Summen in meinen Ohren, das lauter und lauter wird, je mehr sie redet, bis ich schließlich gar nichts mehr hören kann. Ihr Mund öffnet und schließt sich, und die Worte, die herauskommen, sind wie Bienen, die auf mich zufliegen und mich stechen, bis mir die Augen zuschwellen.

»Wer hat dir das alles gesagt?«

»Der Arzt«, antwortet sie. »Er hat mich heute untersucht.«

»Sie haben eine Computertomografie gemacht«, sagt Aaron von der Tür aus. »Und einen Bluttest.«

»Wir brauchen eine zweite Meinung«, sage ich.

»Das habe ich auch gesagt«, erwidert Aaron. »Das ist doch eine schwerwiegende …«

Ich unterbreche ihn mit einer Handbewegung. »Wo sind deine Eltern?«

Bella schaut von Aaron zu mir. »Mein Dad ist in Frankreich, glaube ich. Und meine Mutter ist daheim.«

»Hast du sie angerufen?«

Sie schüttelt den Kopf.

»Okay. Dann rufe ich Frederick an und bitte ihn um eine Namensliste seiner Freunde am Sinai Hospital. Er sitzt doch im Aufsichtsrat der Herzabteilung, richtig?«

Bella nickt.

»Okay. Dann machen wir einen Termin bei ihrem besten Krebsspezialisten aus.« Ich verschlucke mich fast an dem Wort Krebs. Es schmeckt nach Finsternis.

Doch genau das ist meine Kernkompetenz; darin bin ich gut. Je mehr ich rede, desto leiser wird das Summen in meinem Kopf. Fakten. Dokumente. Wer weiß, zu welchem verpeilten Quacksalber sie gegangen sind? Ein Gynäkologe und Geburtshelfer ist kein Krebsspezialist. Wir wissen noch gar nichts Genaues. Wahrscheinlich täuscht er sich. Es kann gar nicht anders sein.

»Bella«, sage ich. Ich nehme ihre Hände in meine. »Es wird alles wieder gut, ja? Was auch immer es ist, wir finden es heraus. Du wirst schon wieder gesund.«

*

Am Montagmorgen sitzen wir in der Praxis von Dr. Finky, dem besten Onkologen in New York City. Ich verabrede mich mit Bella am Eingang zum Mount Sinai an der Ninety-Eighth Street. Sie steigt aus dem Taxi, und Aaron ist bei ihr. Es überrascht mich, ihn zu sehen. Ich hatte nicht gedacht, dass er kommen würde. Jetzt, wo sie nicht schwanger ist, wo wir mit dieser Nachricht – der schlimmsten aller Nachrichten – konfrontiert sind, hätte ich nicht damit gerechnet, dass er weiter an ihrer Seite bleibt. Sie haben nur einen Sommer miteinander verbracht.

Dr. Finkys Praxis liegt im vierten Stock. Als wir mit dem Aufzug hochfahren wollen, steigt eine verschwitzte Schwangere zu. Ich spüre, wie Bella hinter mir erstarrt, sich Aaron zuwendet, um sie nicht sehen zu müssen. Ich drücke den Knopf energischer.

Das Wartezimmer ist hübsch. Farbenfroh. Eine gelb gestreifte Tapete, Töpfe mit Sonnenblumen, ein paar Zeitschriften. Die guten. Vanity Fair, The New Yorker, Vogue. Es sitzen nur zwei Personen im Wartezimmer, ein älteres Paar, das offenbar mit seinem Enkelkind skypt. Unter jeder Menge Aaahs und Oohs winken sie in die Kamera ihres Laptops. Bella zuckt zusammen.

»Wir haben einen Termin um neun. Bella Gold.«

Die Rezeptionistin nickt und reicht mir ein Klemmbrett mit jeder Menge Papier. »Sind Sie die Patientin?«

Ich schaue hinter mich, wo Bella steht.



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